Risiko Cytomegalie: Das sollten Sie wissen
Die Gefahren einer Cytomegalieinfektion für das Baby werden leider immer noch unterschätzt. Umso wichtiger ist es, dass Sie sich rechtzeitig über die häufigste Virusinfektion in der Schwangerschaft informieren. Erfahren Sie hier, was Sie vor und während einer Schwangerschaft beachten sollten, damit Ihr Kind nicht erkrankt.
Was ist Cytomegalie?
Die Cytomegalie (auch: Zytomegalie) ist eine Infektionserkrankung, die durch das Cytomegalievirus (kurz CMV) verursacht wird. Das Cytomegalievirus gehört zu der Gruppe der Herpesviren. Nach der erstmaligen Infektion verbleibt das Virus, wie alle Herpesviren, lebenslang und meist ohne gesundheitliche Folgen im Körper. Das Cytomegalievirus ist eines von acht humanen Herpesviren (HHV) und wird auch als HHV-5 bezeichnet.
Der Name Cytomegalie leitet sich von der Eigenschaft des Virus ab, bei infizierten menschlichen Zellen eine charakteristische Zellvergrößerung zu bewirken (griech.: kytos = Zelle, megalo = groß). Erstmals entdeckten Pathologen im 19. Jahrhundert vergrößerte Zellen mit intranukleären und zytoplasmatischen Einschlüssen in Speicheldrüsen, Lungen, Nieren und Lebern von totgeborenen Föten. Bis heute hat sich keine deutsche Bezeichnung für die Erkrankung durchgesetzt.
Die Infektion verläuft bei gesunden Erwachsenen in der Regel nur mit geringen Krankheitszeichen und bleibt daher häufig unbemerkt. Sie kann jedoch in seltenen Fällen bei Ungeborenen, Frühgeborenen und ebenfalls bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem (beispielsweise nach Organtransplantationen, bei AIDS oder Tumorerkrankungen) zu schweren Krankheitsverläufen führen.
Das Cytomegalievirus ist weltweit verbreitet und kommt in den westlichen Industrieländern bei etwa 40 bis 70 Prozent der Bevölkerung vor. Die Verbreitung des Virus variiert in unterschiedlichen Ländern und steht zudem in engem Zusammenhang mit der Bevölkerungsdichte und den Lebensumständen.
Wie kann ich mich anstecken?
Etwa 50 Prozent aller Frauen mit Kinderwunsch in Deutschland hatten noch keinen Kontakt mit dem CMV-Virus. Sie sollten sich daher vor einer Ansteckung in der Schwangerschaft schützen, um die Gesundheit ihres ungeborenen Kindes nicht zu gefährden.
Das Virus wird von infizierten Menschen mit den Körperflüssigkeiten ausgeschieden und durch engen direkten Kontakt auf andere übertragen, etwa durch Speichel, Tränen, Blut und Urin, Sperma und Vaginalsekret. Auch virusbelastete Oberflächen können zu einer Ansteckung führen. Die häufigste Infektionsquelle bei Schwangeren sind jedoch CMV ausscheidende gesunde Kleinkinder. Diese stecken sich selber meist nach der Geburt, zum Beispiel beim Stillen oder in Krabbelgruppen an.
Nach einer Infektion verbleibt das Cytomegalievirus lebenslang im menschlichen Körper. Selbst nach Beendigung der Erkrankung kann es noch wochenlang im Speichel und Urin ausgeschieden werden. Vor allem Kinder, die in der Schwangerschaft infiziert wurden, scheiden das Virus über Jahre aus und stellen damit eine Infektionsquelle für Spielkameraden und Schwangere dar.
Bei einem privaten oder beruflichen Kontakt mit Kleinkindern ist deshalb die Einhaltung der Hygieneregeln unbedingt zu empfehlen. Das gilt insbesondere für die ersten Monate der Schwangerschaft. Denn das höchste Risiko für das ungeborene Kind besteht, wenn sich eine werdende Mutter im ersten Drittel der Schwangerschaft mit dem Virus infiziert.
Auch nach der Schwangerschaft, nämlich beim Stillen, ist gegebenenfalls Vorsicht geboten. CMV-seropositive Mütter übertragen in mehr als 90 Prozent aller Fälle mit ihrer Muttermilch das Virus auf ihr Kind. Während das für Reifgeborene in der Regel ungefährlich ist, kann es für unreife Frühgeborene eine Gefahr darstellen.
Die Cytomegalieinfektion
Infektion bei Schwangeren
Schwangere, die noch keine Cytomegalieinfektion durchgemacht haben, gelten als seronegativ. Das bedeutet: Sie besitzen keine schützenden Antikörper bei einer Infektion mit dem Virus. Etwa 0,2 bis 2,2 Prozent aller Schwangeren infizieren sich im Verlauf der Schwangerschaft mit CMV.
Vorsicht bei verdächtigen Symptomen
Eine Erstinfektion verläuft bei rund 80 Prozent der Schwangeren ohne Krankheitssymptome. Die verbleibenden 20 Prozent haben meist unspezifische Symptome wie Fieber, eine Schwellung der Lymphknoten, Kopf- und Gliederschmerzen. In seltenen Fällen kann es zu Flankenschmerzen und Abgeschlagenheit kommen.
Länger anhaltende grippale Infekte, insbesondere in Verbindung mit den oben genannten Symptomen, können Anzeichen für eine Erstinfektion mit dem Cytomegalievirus sein. Spätestens dann ist es Zeit für eine labordiagnostische Untersuchung.
Sinnvoller wäre es, die frische CMV-Infektion der Mutter im 1. Trimenon (Schwangerschaftsdrittel, auch Trimester genannt) zu erkennen. Da die Primärinfektion für die Patientin aber in aller Regel asymptomatisch verläuft, ist nur durch ein Antikörper-Screening in der Frühschwangerschaft ein frühzeitiges Erkennen einer CMV-Infektion möglich.
Infektion des ungeborenen Kindes
Die Übertragung des Cytomegalievirus auf das ungeborene Kind geschieht in der Regel nach einer Erstinfektion der Schwangeren. Das Übertragungsrisiko beträgt dann etwa 40 Prozent.
Man schätzt, dass in Deutschland 0,2 bis 0,6 Prozent aller Neugeborenen mit einer kongenital erworbenen CMV-Infektion geboren werden, das sind ca. 1.500 bis 4.500 infizierte Neugeborene im Jahr. Nicht alle diese Kinder zeigen aber die Symptome der Infektion, der größere Teil kommt gesund zur Welt.
Größtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe im 1. Trimenon
Das größte Risiko für schwere Krankheitsverläufe beim Kind besteht bei einer Erstinfektion im 1. Trimenon. Sollte sich eine Schwangere erst im 2. oder 3. Trimenon infizieren, kann sie beruhigt sein, da die Rate an resultierenden Komplikationen für das Kind bei unter einem Prozent liegt. Im 3. Trimenon ist eine vertikale Übertragung des Virus von der Mutter aufs Kind bei erstinfizierten Schwangeren mit 64 bis 77 Prozent zwar sehr häufig, allerdings haben dann infizierte Kinder sehr selten Krankheitssymptome.
Das bedeutet: Das Übertragungsrisiko ist zwar im 3. Trimenon am höchsten. Dem größten Risiko einer CMV-Infektion mit schweren Folgeschäden ist das ungeborene Kind jedoch im 1. Trimenon ausgesetzt.
Frauen, die bereits früher Kontakt mit dem Virus hatten, können das Virus reaktivieren oder sich in sehr seltenen Fällen auch ein zweites Mal infizieren. Über die Risiken einer solchen Infektion liegen keine aussagekräftigen wissenschaftlichen Daten vor. Man geht jedoch davon aus, dass die Folgen in diesen Fällen bei weitem nicht so schwerwiegend sind, wie bei einer Erstinfektion. Weiterhin wird vermutet, dass die Wahrscheinlichkeit einer Übertragung auf das Kind dann bei nur ca. einem Prozent liegt.
Schwere Schädigungen durch CMV-Infektionen
Bei einer Geburtenrate von ca. 787.500 Lebendgeburten pro Jahr in Deutschland (Zahl aus 2018) kommen jährlich etwa 1.600 bis 4.700 mit CMV infizierte Neugeborene zur Welt. Rund zehn Prozent dieser Kinder zeigen bei der Geburt Symptome. Dazu gehören Wachstumsverzögerungen, Schwerhörigkeit, Gehirnentzündungen, Augenschädigungen sowie schwerwiegende Schädigungen der Nerven, der Leber der Lunge sowie der blutbildenden Organe.
Zwischen 10 und 20 Prozent der Kinder infizierter Mütter, die bei der Geburt gesund sind, können später noch erkranken. Hier sind Hörstörungen am häufigsten.
Fruchtwasser- oder Ultraschalluntersuchung ab der 20. Schwangerschaftswoche
Häufig wird eine Infektion erst nach der Geburt erkannt, wenn die ersten Krankheitszeichen wie Einblutungen in die Haut, eine Vergrößerung der Leber oder nach Wochen und Monaten Hörstörungen aufgetreten sind.
Ob das Virus von der Mutter auf das Kind übertragen wurde, lässt sich ab der 20. Schwangerschaftswoche durch eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniocentese) klären. Für eine Diagnose mithilfe der Fruchtwasseruntersuchung müssen seit der Infektion mindestens sechs Wochen vergangen sein.
Infektion des Kindes nach der Geburt
Wie bereits bei den Übertragungswegen beschrieben, kann das Cytomegalievirus nach der Geburt mit der Muttermilch auf das Kind übertragen werden. Frühgeborene sind durch diese sogenannte postnatale Übertragung gefährdet, denn ihr Immunsystem ist noch nicht ausgereift, und die Antikörper der Mutter können sie nicht ausreichend schützen.
Um eine Übertragung zu verhindern, bereiten einige Kliniken in solchen Fällen die Muttermilch auf, indem sie sie pasteurisieren oder einfrieren.
Wie kann ich einer CMV-Infektion vorbeugen?
Den CMV-Immunstatus ermitteln
Vor einer CMV-Infektion kann man sich bisher nicht durch eine Impfung schützen. Schwangere Frauen sind bei einer Erstinfektion durch das Cytomegalievirus aufgrund ihres abwehrbereiten Immunsystems selbst nicht gefährdet. Für das ungeborene Kind jedoch bedeutet dasselbe Virus – insbesondere im ersten Drittel der Schwangerschaft – eine ernstzunehmende Gefahr.
Ein CMV-Bluttest gibt Auskunft
Weil die Gefahr für das Kind in den ersten Schwangerschaftsmonaten am größten ist, sollten Sie im Idealfall bereits vor der Schwangerschaft, ansonsten schnellstmöglich zu Beginn der Schwangerschaft, Ihr individuelles Risikoprofil durch einen CMV-Bluttest bestimmen lassen. Dabei geht es um die Diagnose der IgM (Immunglobuline M) und IgG-Antikörper sowie – bei einem auffälligen Befund – der Avidität der IgG-Antikörper. Der Test gibt darüber Auskunft, ob Sie Antikörper gegen CMV haben und somit immun sind.
Leider sehen die Mutterschutzrichtlinien in Deutschland einen generellen CMV-Bluttest für Schwangere nicht vor. Deshalb übernehmen die Krankenversicherungen die relativ geringen Kosten von ca. 20 bis 40 € pro Test in der Regel nur bei begründetem Verdacht. Andernfalls gilt der Test als eine individuelle Gesundheitsleistung (IGeL), die privat zu bezahlen ist. Alternativ besteht die Möglichkeit, den CMV-Immunstatus im Rahmen einer Blutspende bei einem Blutspendedienst (zum Beispiel DRK-Blutspendedienst) feststellen zu lassen.
Was ist, wenn das Testergebnis seropositiv ist?
Ein seropositives Testergebnis vor der Schwangerschaft oder in der Frühschwangerschaft bedeutet, dass die betroffene Frau schon früher in ihrem Leben eine Cytomegalieinfektion durchgemacht hat. In diesem Fall hat die Frau Antikörper ausgebildet, und es kommt nur sehr selten zu einer Reaktivierung des Virus. Für das Kind besteht dann lediglich ein Übertragungsrisiko von nur einem Prozent.
Was ist, wenn das Testergebnis seronegativ ist?
Ein seronegatives Testergebnis bedeutet, dass die betroffene Frau in der Vergangenheit noch keine Cytomegalieinfektion durchgemacht hat. In diesem Fall und ganz besonders, wenn ein Kleinkind im Haus ist, ist Vorsicht geboten, um eine Erstinfektion zu verhindern. Wir raten dann dazu, im Alltag bestimmte Hygieneregeln zu beachten. Hier geht es zu den Hygieneregeln.
Bei Schwangeren, die beruflich engen Kontakt zu Kleinkindern haben, zum Beispiel in einer Kita, ist vom zuständigen Betriebsarzt zu prüfen, ob die Schwangere in einem Bereich arbeiten darf, in dem sie keinen Kontakt zu Kindern bis zum dritten Lebensjahr hat, oder ob ihr ein Beschäftigungsverbot erteilt wird.
Trotz aller Vorsicht kann es im Verlauf der Schwangerschaft doch zu einer Erstinfektion kommen. Weil diese wegen fehlender Symptome unbemerkt bleiben könnte, empfehlen wir, den CMV-Bluttest im ersten und zu Beginn des zweiten Trimenon sowie einmal in der 35. Schwangerschaftswoche wiederholen zu lassen. Ganz wichtig ist es außerdem, innerhalb von zehn Tagen nach der Geburt beim Kind einen CMV-Urin- und Speicheltest durchzuführen.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Es gibt generell Behandlungsmöglichkeiten bei einer CMV-infektion. Diese sind in der Schwangerschaft jedoch nur bedingt einzusetzen und bedürfen daher einer sorgfältigen individuellen Abwägung.
Immunglobuline
Eine Möglichkeit, Erstinfektionen mit dem Cytomegalievirus in der Schwangerschaft zu behandeln, ist die Gabe von Hyperimmunglobulinen. Das sind spezifische Antikörper, die gegen Bestandteile der Virushülle gerichtet sind und so freie Cytomegalieviren binden.
Jüngste wissenschaftliche Untersuchungen und verschiedene Einzelfallbeschreibungen zeigen ermutigende Behandlungserfolge. Demnach können Hyperimmunglobuline die Wahrscheinlichkeit verringern, dass die Cytomegalieinfektion auf das ungeborene Kind übergreift und zu einer schweren Erkrankung des Neugeborenen führt. Nach allem, was man bisher weiß, sind Hyperimmunglobuline auch während der Schwangerschaft gut verträglich.
Anfang 2021 wurde eine Observationsstudie über 150 mit Hyperimmunglobulinen behandelte Patientinnen publiziert. Bei diesen Schwangeren wurde erfolgreich durch die Behandlung in der Frühschwangerschaft ein sehr geringer Transfer der Infektion zum Kind erreicht. Die Untersuchung erfolgte in Deutschland in vier Zentren der Pränatalmedizin.
Virostatika
Virostatika sind Medikamente, die die Vermehrung der Viren stoppen und zum Beispiel in der Transplantation häufig zum Einsatz kommen. Die umfangreichsten Daten zum Einsatz in der Schwangerschaft liegen derzeit für das Virostatikum Valacyclovir vor. Wird eine Viruslast im Fruchtwasser nachgewiesen, erfolgt gegebenenfalls eine Behandlung mit Valacyclovir. Der Einsatz ist auch hier eine Einzelfallentscheidung und erfolgt im Off-Label-Use.
Behandlungsmöglichkeiten bei Neugeboren
Bei Säuglingen mit ernsten Krankheitsanzeichen einer Cytomegalieinfektion kann in Abhängigkeit vom Schweregrad und der Kombination von Auffälligkeiten ein Behandlungsversuch mit einem Virostatikum (Valganciclovir) als Einzelfallentscheidung in Erwägung gezogen werden. Erste Hinweise deuten darauf hin, dass eine Therapie mit diesem Medikament das Hörvermögen infizierter Neugeborener, die bereits unter Krankheitssymptomen leiden, innerhalb des ersten Lebensjahres stabilisieren kann.
Interessante Links
Sie möchten sich auch woanders über das Thema Cytomegalie informieren? ICON empfiehlt Ihnen folgende Websites.
Deutsches Grünes Kreuz
www.dgk.de/cytomegalie
Centers for Disease Control and Prevention (CDC), Atlanta, U.S.A
www.cdc.gov/cmv/index.html
Baby Care
www.baby-care.de
Redaktion Frauenärzte im Netz
www.frauenaerzte-im-netz.de
CMV-Selbsthilfegruppe in Berlin
starkgegencmv.de